24.08.2023 News | Politik | Umwelt
Wolf & Bär
Keine Märchenfiguren
Südtirol liegt geografisch im Herzen des Alpenbogens. Die 7.400 km2 umfassende Region besteht größtenteils aus Felsen, Wäldern und Gletschern. Nur knapp 6% der Landesfläche gelten als für Menschen besiedelbar, davon ist heute rund die Hälfte besiedelt. Diese Zahlen lassen erahnen, dass unser Land ein idealer Siedlungsraum für Wildtiere ist. Jeder kennt Hirsch, Reh, Murmeltier & Co. und erfreut sich am Anblick eines Exemplars. Doch die meisten Südtiroler*Innen wissen nur wenig darüber, wie viele Tierarten unser Land wirklich besiedeln und welche Lebensgewohnheiten sie haben. Woher auch? Schulen, Medien und Vereine haben dieses Thema kaum auf ihrer Agenda.
Einzige Ausnahme die beiden Beutegreifer Bär und Wolf, die zum alles beherrschendem Dauerthema sind. Der Grund dafür ist klar: Wölfe und Bären stellen eine große Bedrohung für die Almwirtschaft dar und können darüber hinaus zu einer ernsthaften Gefahr für den Menschen werden. Die Frage ist, wie wir mit diesem Thema als Gesellschaft umgehen wollen? Heute sind die Rollen klar: Bär und Wolf werden Menschgleich als Täter dargestellt, Tierschützer gelten pauschal als Tatgehilfen, die Politik ist in der Rolle des Versagers, der das Problem nicht lösen kann und wir alle sind die Opfer.
Als ein Land, das eine Jahrhunderte alte Bergkultur hat, sollten wir dringlichst Abstand von diesem Weg der Banalisierung und Pauschalisierung nehmen. Vielmehr sollten wir unsere eigene Tradition wiederaufnehmen und unser althergebrachtes Wissen zum Thema Umgang mit Wild und Natur neu beleben. Es ist unbestritten, dass der Schutzstatus von Wölfen und Braunbären von der Europäischen Union gesenkt werden muss. Es braucht für diese Wildtiere ebenso eine Regulierung, wie wir sie heute beispielsweise für Reh und Hirsch kennen. Doch dies gelingt nur im Verbund der Alpenregionen und kann nicht auf lokaler Ebene erfolgen. Das sind die Fakten, die anzuerkennen sind. Parallel dazu sollten wir uns als Gesellschaft wieder viel mehr mit den Vorteilen der Almwirtschaft, mit dem Verhalten des Wildes und mit konkreten Maßnahmen für unsere persönliche Sicherheit beschäftigen. Die Mehrheit der Südtiroler*Innen und die allermeisten Gäste des Landes gehen gerne in die Berge und genießen die Einkehr auf einer Almhütte. Also beschweren wir uns nicht, wenn die Almwirtschaft aktiv gefördert wird und nehmen wir uns die Zeit, uns mit dem Verhalten des Wildes auseinanderzusetzten. Hierzu gehört beispielsweise auch das bewusste Respektieren von Ruhezonen für Wildtiere. Die rund 6.300 Mitglieder der Südtiroler Jägerschaft können hier eine Schlüsselrolle einnehmen. Sie sind für die Hege des Wildes verantwortlich und bemühen sich um die Verbreitung nützlicher und interessanter Informationen rund um den Themenkreis Wald & Wild. Schließlich kommt den Medien eine große Verantwortung zu. Sie entscheiden, auf welche Aspekte des Themas sie ihren Fokus legen und sie beeinflussen mit ihrer Berichterstattung die Stimmung der Menschen in wesentlichem Maße.
Bär und Wolf sind nicht nur „ein Problem“ für die Bewohner und Gäste des Alpenraums. Sie sind auch eine Chance, uns wieder mit dem eigenen Lebensraum vertraut zu machen und die Gesetze der Natur zu verstehen. Denn so oder so wird das Großrauwild wahrscheinlich nicht mehr vollkommen aus unseren Wäldern verschwinden.
Nachtrag: Ich lebe seit fünf Jahren mit meiner Familie oberhalb des Ortes Hafling mitten im Wald. Wir sind täglich mit Wild konfrontiert und seit einem Jahr bin ich selbst Jäger.